Donnerstag, 7. Februar 2008

Lauter Missverständnisse

Apolda/Sömmerda. Es war in der Nacht zum 27.Januar, dem Shoa-Gedenktag, um 3.15 Uhr, als einer Polizeistreife in Sömmerda etwas auffiel. Die Gedenktafel, die an den Todesmarsch der Buchenwald-Häftlinge und der jüdischen Frauen im KZ-Außenlager erinnerte, war mit Hakenkreuzen beschmiert und mit dem Wort "Gas" überzogen.
Am Morgen wurden die Schmierereien vom örtlichen Betriebshof beseitigt, dann fand die Gedenkveranstaltung statt. Mit im Publikum: Mehrere stadtbekannte Neonazis, darunter der NPD-Vize des Kreisverbandes. Die Polizei nahm ihre Personalien auf.
Nur als der Polizeibericht erschien, war davon keine Rede mehr. Der Thüringer Allgemeine gegenüber teilte der Dienstgruppenleiter mit, es gebe Anweisung, über derartige Fälle nur auf Anfrage Auskunft zu geben.
Aus dem Innenministerium hieß es gestern dazu, es handle sich um ein "bedauerliches Missverständnis". In der Inspektion sei wohl ein "Vorbehalt des Ministeriums angenommen" worden., der aber nicht existiere. Im Gegenteil: Alle Dienststellen, insbesondere die zuständige Polizeidirektion Erfurt, betrieben eine "offensive Öffentlichkeitsarbeit". Im Übrigen hätten die Beamten die Schändung intern "sofort" an das Lagezentrum gemeldet.
Die Opposition, aber auch die jüdische Landesgemeinde wollen dem nicht ganz Glauben schenken, sie vermuten eine Strategie nach dem Muster Sachsen-Anhalt: Dort beschäftigt sich ein Untersuchungsaussschuß mit Vorwürfen, das dortige Innesministerium habe gezielt die einschlägige Statistik nach unten manipuliert. Ein Indiz für Thüringen könnte dafür jene Zahl sein, die das Innenministerium jetzt einräumte. So hat sich die Zahl der Straftaten, die unter die Rebrik "Sonstige/Nicht zuzuordnen" fallen, seit 2002 auf 400 vervierfacht. Die Vermutung der Opposistion ist, dass hier zunehmend rechtsextreme Delikte versteckt werden.
Das Ministerium dementiert auch hier: Es habe sich nichts an den Erfassungskriterien verändert. Wenn das stimmt, scheinen zumindest einige Diensteinheiten eigene Wege zu gehen. So beharren die Polizeidirektion und seit gestern auch die Staatsanwaltschaft darauf, dass es sich nur um "illegales Plakatieren" handele, wenn das Haus einer Unternehmerin in Apolda mit Parolen wie "Nationaler Sozialismus statt Untergang" beklebt wird.
Nachtrag: Nach den Anfragen dieser Zeitung meldete die Sömmerdaer Inspektion gestern, dass mehrere am NS-Mahnmal abgelegte Kränze auf eine nahe Straße geschmissen worden seien. Die Inspektion Apolda berichtete plötzlich, dass man bereits vor Tagen ein Dutzend Personen festgestellt habe, die mit den Aufklebern in Verbindung stehen könnten und teilweise durch rechtsradikale Straftaten bekannt seien.


Quelle: MOBIT/TLZ (06.02.2008)

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